„Wenn Soziales Raum braucht“ – Dritte Fachtagung der Internationalen Pflegebauausstellung fordert mehr Selbstbewusstsein in schwierigen Zeiten
In der Pflege- und Immobilienwirtschaft stehen die Zeichen auf Sturm. Kostendruck, Insolvenzgefahr, steigende Zinsen, sinkende Preise und nicht zuletzt ein sich zuspitzender Arbeitskräftemangel sorgen für Krisenstimmung in der Pflege und bei allen, die aktuell mit dem Bau oder auch Betrieb von Sozialimmobilien zu tun haben. Unter diesen Vorzeichen fand am 03. und 04. Mai 2023 im Wissenschaftspark Gelsenkirchen die dritte Fachtagung des Netzwerks der Internationalen Pflegebauausstellung statt. Rund 70 Expert*innen aus der Pflege, Bau- und Immobilienwirtschaft diskutierten mit Architekt*innen, Raumplaner*innen und Stadtentwickler*innen über die Bedingungen und Erfolgsfaktoren für einen gelingenden Strukturwandel, der sich an den Belangen der Menschen orientiert. Roland Weigel, Koordinator der Ruhrgebietskonferenz-Pflege und Moderator der Internationalen Pflegebauausstellung, fasst die Veranstaltung am Ende so zusammen:
„Unsere Tagung hat gezeigt, dass jede Menge Energie vorhanden ist, wenn wir uns zusammentun. Wir brauchen Resilienz statt Resignation.“
In einem Mix aus Impulsbeiträgen und Diskussionsrunden wurde zwei Tage lang darüber debattiert, wie das Revier zu einem lebendigen Experimentierraum für sozialen Zusammenhalt, Wohnqualität und Versorgungssicherheit werden kann. „Mit der Internationalen Pflegebauausstellung wollen wir zeigen, wie die zentralen Herausforderungen unserer Zeit, soziodemografischer und Klimawandel, durch Kooperation und Konkretion gemeinsam bewältigt werden können“ unterstrich Prof. Dr. Josef Hilbert von MedEcon Ruhr in seinem Auftaktstatement. Es fehlt allerdings an tragfähigen und gut vernetzten kommunalen Strategien.
Helmut Wallrafen – Geschäftsführer der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach – kann auf über dreißig Jahre Erfahrung zurückblicken. Mit dem Titel seines Beitrags „Die Ursache liegt in der Zukunft“ hatte er schon deutlich gemacht, dass der aktuelle Handlungsdruck für viele offenbar noch nicht ausreichend spürbar ist. Dabei sind die Herausforderungen lange bekannt. Schließlich fehlen bereits heute rund 2,2 Mio. altengerechte Wohnungen. Ulrich Christofczik, Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege, meint dazu: „Mit Blick auf die Teilhabe im Alter und altersgerechtes Wohnen passiert im Land viel zu wenig.“ Für ihn hört Teilhabe oft schon im vierten Stock eines Wohnhauses auf, sobald ein Aufzug fehlt.
Als Vorstand des Christophoruswerkes und Geschäftsführer der Evangelischen Altenhilfe Duisburg setzt Ulrich Christofczik ein Zeichen und fordert neue Konzepte für die Pflege und Betreuung: „Die Antwort auf den demografischen Wandel darf nicht sein, ein Seniorenheim nach dem anderen zu bauen. Wir brauchen Mehr, aber nicht Mehr vom Selben.“ Das untereicht auch Ralf Licht von Carestone, dem Marktführer für Entwicklung von Sozialimmobilien in Deutschland. Für ihn geht es aber auch ums „Machen“. Statt mehr Wohnraum und Pflegeplätze zur Verfügung zu stellen, steuert Deutschland gerade in eine Versorgungskrise, in der Pflegebetten und Wohnraum verloren gehen. Die aktuelle Insolvenzwelle in der Pflege- und Immobilienwirtschaft hat gerade zum Abbau von rund 22.000 Betten geführt.
Dabei gibt es zahlreiche kreative Köpfe und mutige Investoren, die Zeichen setzen. In Recklinghausen darf das Architekturbüro Steinke + Zils gerade ein Projekt umsetzen, in dem generationsübergreifendes Leben und Wohnen im Innovationsraum Innenstadt entwickelt worden ist. Hier entsteht am Standort eines ehemaligen Kaufhauses ein Leuchtturmprojekt, das richtungsweisend für die Neubelebung der Innenstädte sein kann. Um solche Projekte zu realisieren braucht es nicht nur Mut sondern auch die Bereitschaft, die Versäulung in unsere Gesellschaft aufzubrechen. Darauf hat Oliver Kopetz vom Altersinstitut des Johanneswerks in Dortmund hingewiesen. Die Konstruktion unserer Sozialgesetzgebung fördert das Nebeneinander und erschwert das Miteinander.
Mit der Tagung hat die Internationale Pflegebauausstellung ein Zeichen gesetzt, was alles möglich ist, wenn Gesundheit und Pflege bei der Stadtentwicklung und Sozialplanung mitgenommen werden. Das wünschen sich die Initiatoren auch mit Blick auf die gerade heiß diskutierte IBA 2.0. Roland Weigel dazu noch einmal: „Wir stehen bereit, um das Thema Gesundheit und Pflege in den Strukturwandel und die Transformation unserer Städte einzubringen.“
Die Beiträge der Fachtagung zum Download
> Auftakt-Impuls „Internationale Pflege Bauausstellung“ (Prof. Dr. Josef Hilbert, MedEcon Ruhr)
> Wohnparks – das Pflegeheim für Selbstzahler (Anja Sakwe-Nakonji, TERRANUS GmbH)